Archiv der Familien Hartard, Hardardt, Hardart, Hartart, Hartert, Harter
Hardert, Hardtert und Hartherz aus Nassau, Hessen und der Pfalz
1250 bis heute



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Könnten Sie das bitte buchstabieren? Durchaus keine seltene Frage bei einem seltenen, vielleicht sogar seltsamen Namen. Ein Mensch des Mittelalters hätte dieses Problem nicht gehabt. Vorausgesetzt, er war des Schreibens überhaupt mächtig, hätte er den Namen einfach dem Hörensagen nach zu Papier gebracht; und weil man das tatsächlich noch lange so gehalten hat, kommt die Familie heute unter nicht weniger als neun verschiedenen Namensvarianten vor. Ursprünglich entstammt der Name dem Althochdeutschen und ist aus den beiden Komposita hart (kühn, stark) und rat (Ratschlag, Ratgeber) gebildet, ähnlich wie der noch heute geläufige Konrad (kuon-rat). Bis ins 15. Jahrhundert hinein schrieb man deshalb ‚Hartrad‘ oder ‚Hartrat‘ (mit Vokalverdunklung sogar ‚Hartrot‘ und ‚Hartrut‘), ab dem 16. Jahrhundert zunehmend mit r-Umsprung ‚Hartard‘ oder ‚Hartart‘. In derselben Zeit setzte auch die Verschleifung des Namens ein, die ‚Hartard‘ zu ‚Hartert‘, ‚Hardert‘ oder ‚Harter‘, mit Genitivbildung auch zu ‚Harterts, Hartherz‘ werden ließ.

Zu den ersten urkundlich nachweisbaren Namensträgern zählt im 6. Jahrhundert ein Arderadus, Vidame des Bischofs von Le Mans und 542/543 dessen Gesandter beim Hl. Benedikt auf dem Monte Cassino. Weitere frühmittelalterliche Vertreter des Namens im heutigen Frankreich sind Abt Hardrad von Saint-Bertin (769), die Vizegrafen von Tours, Ardrad I. (846/865) und sein Enkel Ardrad II., sowie Bischof Ardrad von Chalon-sur-Saône (889–ca. 925).
Auch dem norwegischen König Harald III. (*1015, †1066), der als Gründer Oslos gilt, wurde der Name beigelegt. In die Geschichte eingegangen ist er als Harald Hardråde oder Hardrada, der Strenge. Er fiel 1066 bei dem Versuch, den englischen Thron zu erobern, in der Schlacht von Stamford Bridge; die geschwächte Armee der Engländer musste sich wenig später bei Hastings den Normannen geschlagen geben.

Im heute deutschsprachigen Raum findet sich der erste Nachweis des Namens in einer Traditionsnotiz der Abtei Echternach: Im Jahr 721 schenkt die fränkische Adelige Bertrada, die im selben Jahr die Abtei Prüm gestiftet hatte, gemeinsam mit ihrem Sohn Heribert Güter an das Echternacher Kloster. Der urkundliche Eintrag beginnt mit den Worten: „Ego Berta, Deo sacrata, et filius meus Chardradus et Harbertus donamus ...“; die grammatikalische Ungenauigkeit des Textes lässt offen, ob Heribert einen Bruder Hardrad hatte oder aber diesen Namen als Beinamen führte. Heribert-Hardrad wurde über seine Tochter Bertrada die Jüngere zum Großvater Karls des Großen. Ein weiterer, mit dem ersten vielleicht identischer Hardrad wird im Kartular der lothringischen Abtei Gorze im Jahr 771 als bereits verstorben genannt, als sein Sohn Ratard Güter in Mandres-aux-Quatre-Tours an das Kloster schenkt; Josef Fleckenstein identifizierte (nicht unwidersprochen) diesen Ratard mit Ruthard, dem Administrator Alemanniens, der zu den Stammvätern der älteren Welfen gezählt wird. Zwischen dem letzten Viertel des 8. Jahrhunderts und der Mitte des 9. Jahrhunderts erscheinen Träger des Namens Hardrad des Öfteren in den Traditionsbüchern der Klöster Fulda, Lorsch und Weißenburg. Sie gehören zu einer vor allem im Wormsgau, vermutlich auch in Thüringen (um Sömmerda, Kölleda, Haßleben), später zudem im Saalgau begüterten Adelsfamilie mit verwandtschaftlichen Beziehungen zur fränkischen Reichsaristokratie (Widonen, Rupertiner). Die älteren Namensträger in Echternach und Gorze könnten zu ihren Vorfahren zählen. Ein Graf Hardrad, der möglicherweise aus dieser mittelrheinischen Sippe stammte, war 786 Anführer einer ostfränkisch-thüringischen Verschwörung gegen Karl den Großen; er wurde nach der Entdeckung des Anschlagsplans geblendet und vermutlich des Reichs verwiesen. Ein Nachhall dieser Ereignisse ist möglicherweise die legendäre Figur des Hardré, der in den französischen Chansons de geste Garin le Loherain (Lohengrin) und Amis et Amile in der Rolle des Verräters auftritt.

Im Mittelalter ist Hartrad als Personenname vor allem im südhessischen Raum verbreitet, nicht zuletzt wohl durch das hier einflussreiche Geschlecht der Herren und Grafen von Merenberg, bei denen Hartrad über zehn Generationen hinweg Leitname ist (von Hartrad I., um 1090, bis zum Letzten des Hauses, Hartrad VII., † 1327). Vielleicht gehört bereits der 1031 und 1051 genannte Hartrad, Bruder des heiligen Mainzer Erzbischofs Bardo, zu dieser Familie. In Hessen finden sich Namensträger u. a. in den Adelsfamilien Alnhausen, Reichenbach, Westerburg, Hundelshausen, Trümbach, Wildenberg, Goßfelden und Fellingshausen sowie jeweils mehrere Namensträger in den Wetzlarer Patrizierfamilien von Hörnsheim und Blide. Im Fränkischen ist Hartrad (Hartrach) häufig in der Familie der Truchsessen von Baldersheim. Bis zum 18. Jahrhundert waren Hartrad bzw. Hartard nicht eben häufige, aber vor allem in Südwestdeutschland (Kurpfalz, Hochstifte Trier und Mainz, Luxemburg) durchaus nicht ungewöhnliche Taufnamen, zum Teil sicherlich befördert durch
die Vorbilder des Mainzer Erzbischofs Damian Hartard von der Leyen († 1678) und des Speyerer Fürstbischofs Heinrich Hartard von Rollingen (†1719). Weitere Namensträger findet man u. a. in den Familien der Herren von Wiltz, Pallandt, Nassau, Bassenheim, Elter, Metternich, Dhaun, Stein und Hattstein. Heute ist der Vorname bis auf wenige Ausnahmen (wie den hessischen Architekten Hans Hartrad Meyer-Seipp, *1924, † 2009) ganz verschwunden.

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Der Familienname

Als Familienname ist ‚Hartard‘ natürlich jünger. Im Bürgertum kamen erbliche Zunamen erst ab dem 12. Jahrhundert auf, als in den bevölkerungsreichen Städten an den großen Flussläufen und Kaufmannsstraßen – etwa in Wien, in Regensburg, in Basel, Straßburg, Speyer, Mainz, Frankfurt oder Köln – die bloßen Rufnamen nicht mehr für die sichere Unterscheidung der Bewohner genügten. Zunächst behalf man sich mit Beinamen, die aber lediglich der näheren Bezeichnung einzelner Personen, nicht ganzer Familien dienten und daher kaum ihren Träger überlebten. Sie nahmen Bezug auf dessen Herkunft, Beruf oder Wohnstätte, auf äußere Kennzeichen oder Wesensmerkmale, auf den Namen des Vaters oder, seltener, den der Mutter. Sicherlich entscheidend befördert durch die Eintragung solcher Namen in offizielle Urkunden wie Bürgerbücher oder Steuerlisten wandelten sie sich allmählich zu den erblichen Benennungen der Geschlechter, wie sie im deutschen Sprachraum seit dem 13. bis 14. Jahrhundert gebräuchlich werden.

Bei einem im 13. Jahrhundert in Wien bezeugten Konrad Hartrat etwa zeigt sich, dass der Prozess der Namensbildung damals noch nicht ganz abgeschlossen war: als Konrad um das Jahr 1260 mit seiner Frau Jutta der Abtei Heiligenkreuz zwei Pfund jährlicher Gülten zu Nieder-Hollabrunn vermacht, urkundet er als „Chunr(adus) d(i)c(tu)s Hartrat“ (Konrad, genannt Hartrat); ebenso 1271, als er, mittlerweile Witwer, dem Kloster Lilienfeld einen Hof in „Imzeinsdorf“ (Inzersdorf) und eine Wiese in Erlaa übergibt (zwei Besitzungen, die wenig später von seinen Verwandten Kunigunde und Konrad von Heiligenstadt erfolglos vom Lilienfelder Konvent zurückgefordert werden).

Ähnliches ist der Fall bei dem im Jahr 1296 erwähnten Leipziger Ratsherrn Heinricus Hartradi: hier verrät der Genitiv noch die Herkunft vom Vatersnamen. 1318 indes finden wir denselben Heinrich als „Henricus Hardrat“ in den Urkunden. Sehr frühe Nennungen in bereits verfestigter Form stammen aus Würzburg mit Cunrad Hartroet, (1250) und aus Köln mit einem Schöffen Heinrich Hardrat oder Hard(e)rait (1262), der in der Thieboldsgasse im Kirchspiel St. Aposteln wohnt und mit seiner Frau Godelivis den Sohn Hermann und die mit Heinrich Zote verheiratete Tochter Druda hat; 1327 werden in Köln ein Wilhelm Hardrait, seine Tochter Druda und deren Mann Roilkinus von Dünnwald genannt. Ab dem 14. Jahrhundert kann der Name dann durchweg als fester Familienname betrachtet werden, so in Brüx (tschech. Most, in Böhmen) mit Heinrich Hartrat (1302 und 1306) und Johann Hartrat (1315), in Reichenbach a. d. Lausitz (westlich von Görlitz) 1356 mit Nyckil Hartrut oder mit den zahlreichen Namensträgern aus dem oberhessischen Raum (Frankfurt, Wetterau, Dreieich, Taunus), auf die im folgenden näher eingegangen wird.

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Geographische Namen

Hingewiesen sei noch auf verschiedene Ortsnamen, die ihrerseits von dem Personen- oder Familiennamen ‚Hartrad‘ herstammen: so das oberösterreichische Harterding, nahe dem Inn; Hardradinchus (nach dem sich 1249 ein Dortmunder Bürger nennt: Wessel von Asseln gen. de Hardradinchus); Hartershausen bei Fulda (891: Hartrateshus, später Harteratishusen, Harttarshusen); Hardradessen, Name zweier nordhessischer Wüstungen (im Kreis Waldeck bzw. im Kreis Wolfhagen), Harreshausen, heute ein Ortsteil von Babenhausen, beim hessischen Dieburg (12. Jh.: Hardirshusen, 1320: Hareshusen), Hartradisbusz, ein Flurstück bei Frankfurt-Bockenheim (1301). Die Eifelburg Hartelstein (älter: Hartradstein) bei Prüm, heute Ruine, die 1341 unter luxemburgische Lehenshoheit fällt, führt ihren Namen nach dem Erbauer, Hartrad von Schönecken aus dem Hause der Grafen von Vianden; eine Bastion der Festung Mainz aus dem 17. Jh. erhielt den Namen Hartard nach dem Mainzer Erzbischof Damian Hartard von der Leyen.


Harald Hardrada, König von Norwegen, historisierende Darstellung in der St.-Magnus-Kathedrale in Kirkwall
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