Seit dem 13. Jahrhundert finden sich in den Quellen Träger des
Namens Hartrad, Hartard, Hartert, bei denen sich keine Verbindung mit
unserer Familie herstellen lässt.
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Mittelalterliche und frühneuzeitliche Namensträger
Mit großer Sicherheit gilt dies für die sehr frühen
oder geographisch abseitigen Nennungen in Wien (Konrad und Jutta gen.
Hartrat 1260 und 1271), Köln (Heinrich Hardrat 1262), Leipzig
(Heinricus Hartradi 1296), Brüx (Heinrich Hartrat 1302 und 1306,
Johann Hartrat 1315) und Reichenbach bei Görlitz (Nyckil Hartrut
1356). Auf halbem Weg zwischen Hessen und Leipzig, im
thüringischen Nägelstedt (bei Bad Langensalza, nahe Erfurt),
erscheint schon 1278 ein Heinrich Hartradi als Zeuge einer Urkunde des
Deutschen Ordens; ob ein Zusammenhang mit dem gleichnamigen Leipziger
Ratsherrn besteht, sei dahingestellt. Ein 1437 in Schönstedt bei
Weißensee, etwas östlich von Bad Langensalza, genannter Hans
Hartrot und ein protestantischer Erfurter Ratsherr Thamian Hartart
gehören vielleicht ebenfalls hierher.
Auch die
schlesischen Hartert, die bis 1945 rund um Liegnitz leben, treten im
16. Jahrhundert als ‚Hartart‘ oder
‚Hartard‘ urkundlich in Erscheinung: so Balthasar Hartert /
Hartardt
(Liegnitz 1560), Kaspar Hartard (1557 stud. Wittenberg, später
Lehrer
in Goldberg / Schlesien und Bürgermeister in Haynau) oder David
Hartard
(Pastor in Seebnitz bei Lüben, *26.4.1630, 1650 in Leipzig,
ordiniert
für Großrinnersdorf 25.4.1660, nach Seebnitz berufen 1665,
†1684, Sohn
des Goldschmiedes Georg Hartart). Bahlow
nimmt in seinem Deutschen Namenbuch an, die Familie habe ihren Namen
von
den schlesischen Orten ‚Hartha‘ bzw. ‚Hartau‘
erhalten, indem ‚Harter‘
oder ‚Harder‘ sich zu ‚Hartert‘ und
‚Hartart‘ entwickelt habe. Dem ist
allerdings entgegenzuhalten, dass vermittelnde Namensformen wie
Hartaer, Hartauer urkundlich nicht zu belegen sind. Möglich
wäre auch, dass ‚Harder‘, die schlesische Bezeichnung
für
den Schäfer, hineinspielt. In anderen Fällen mag
‚Hartert‘ wiederum
‚der am Wald oder an der Weidetrift Wohnende‘ meinen, mit
auslautendem
‚-t‘ von älter ‚Harter‘. Sollte es eine
Verbindung zu den Lausitzer Hartrad bei Görlitz oder sogar den
Leipziger Hartrad des 14. bzw. 13. Jahrhunderts geben – alle Orte
liegen wie Liegnitz an der mittelalterlichen Handelsstraße, die
von Frankfurt kommend über Leipzig nach Breslau führt
–, so wäre der Ursprung der Namensbildung auch bei den schlesischen Familien der Taufname Hartrad.
Eine mit der unseren wohl nicht verwandte hessische Familie Hartrad
gewinnt im Spätmittelalter in der Marburger Gegend Konturen.
Ein
Johann Hartradi begegnet 1318, 1320 und 1331 als Schöffe zu
Neustadt (heute Kreis Marburg-Biedenkopf); er ist vielleicht ein Sohn
des Neustädter Schöffen Hartrad von Momberg. 1325 ist ein Johann Hartradi Zeuge, als Konrad von Wahlen und seine Ehefrau Gertrud dem Kloster
Caldern bei Marburg ihre Güter zu Brungershausen verkaufen. Heinrich
Hartradis von Ruschinberg (Rauschenberg, ebenfalls Landkreis
Marburg-Biedenkopf) ist 1355 Bürger zu Kirchhain;
vielleicht derselbe Heinrich Hartrad amtiert 1371 als
Unterschultheiß zu Rauschenberg, wo sein Bruder Hartrad (!) im
selben Jahr Bürgermeister ist. 1428 schlichtet Graf Johann II. von
Ziegenhain einen Streit zwischen den Rauschenberger Bürgern Johann
Hartradis und Heinrich Koch, die beide das Erbe eines Dietrich Schnabel
für sich beansprucht hatten. Ein Dietmar Hartrad aus Rauschenberg
(„Dyetmarus Hartrudis de Rausenperg“) immatrikuliert sich
im Oktober 1417 an der Universität Wien. Aus Alsfeld
schließlich, östlich von Marburg gelegen, stammt
Johannes Hartrad, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
ins Alsfelder Augustinerkloster eintritt und 1447 als Prior des
Augustinerklosters zu Waldheim (bei Meißen) genannt wird. Eine
von ihm stammende, heute in Trier verwahrte Handschrift (Hs SdB 274)
belegt seine wissenschaftlichen Interessen. Mit der Urkunde von 1447
übergibt Prior Johannes den Augustinern zu Alsfeld eine Wiese bei
der Hellmühle an der Eifa (bei Alsfeld), die schon seinen
verstorbenen Eltern gehört hatte und die seine Mutter zu der Zeit,
als er selbst dem Alsfelder Konvent beigetreten war, dem Kloster
versprochen hatte. Möglicherweise gehören hierher auch: ein
Johannes Harttrut de
Homberg, der seit 1446 an der Erfurter Universität studierte,
sofern es sich bei seinem Heimatort um Homberg an der Ohm (zwischen
Marburg und Alsfeld) und nicht um einen der zahlreichen anderen Orte
dieses Namens handelt; und ein Henne Hartradt, der in einer Urkunde von
1476 im
nordhessischen Treysa (bei Schwalmstadt, nördlich von Alsfeld) als
ehemaliger Söldner des hessischen Landgrafen Hermann erscheint.
Bei den letzteren wäre auch eine Verbindung zu einigen verstreuten Namensträgern in der
Kasseler Gegend denkbar. Zwischen 1298 und 1300 findet man in Volkmarsen (nordwestlich
von Kassel) den Ratsherrn Konrad Hartradi sowie im
Jahr 1325 seine Witwe Gertrud; nicht weit voneinander südöstlich von
Kassel erscheinen Kunne Hartrades († 1432 in Wickenrode) und Hans
Hartrodt (1479 Ratmann zu Eschwege).
Nicht näher zuzuordnen sind einige geistlichen Namensträger des Spätmittelalters: Hermann
Hartradi, der im Juli 1363 und im Januar 1369 in Regensburg als Notar
zwei kirchliche Urkunden beglaubigt; ein weiterer, mit dem ersten kaum
personengleicher Hermann Hartrad, der 1424 als Priester an St. Peter in
Fritzlar bzw. an SS. Maria und Sebastian in Naumburg (bei Fritzlar)
nachgewiesen ist; schließlich Johannes Hartrad, 1429 und 1430
ebenfalls Kleriker an der Fritzlarer Peterskirche.
Vermutlich
jüdischen Ursprungs (und ausweislich seines Wappens – drei goldenen
Judenhüten im blauen Feld – vielleicht eines Stammes mit der Familie
von Jüdden) ist das kölnische Patriziergeschlecht Hardenrath. Sein
Stammvater Johann Hardenrath († vor 1479) war im 15. Jahrhundert aus
Hameln an der Weser nach Köln gezogen; durch Tuchhandel und
Kreditgeschäfte reich geworden, stiftete er im Jahr 1466 zusammen mit
seiner Frau Sybilla Schlößgin die Salvators- oder Hardenrathskapelle in
der Kirche St. Maria im Kapitol. Von seinen Nachkommen war Johann d. Ä.
Hardenrath († 1602) Kanzler des Herzogtums Jülich, dessen Bruder Johann
d. J. Hardenrath († 1630) seit 1584 insgesamt 16mal Bürgermeister von
Köln.
Nicht ersichtlich ist die Herkunft eines Philipp Hartruth,
seit 1600 (protestantischer?) Diakon zu Donauwörth, der im Dezember
1607 vor den anrückenden Truppen des bayerischen Herzogs Maximilian I.
nach Coburg floh. Im Jahrbuch der Stadt
Coburg für 1608 heißt es über ihn: „1608, am heil. Dreikönigstag kam
hier der aus Donauwörth vertriebene Diakonus M. Philipp Hartruth an. Es
wurden für ihn an der Kirchthür 15 fl. 12 gr. 7 Pfg. eingesammelt, dazu
Ein Ehrbarer Rath noch 2 fl. beisteuerte“.
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Hartard und Hartert in Luxemburg, Lothringen, England und Chile
Vermutlich nicht zu unserer
Familie zählen die Namensträger Hartard, Hartert und Harter im
luxemburgisch-lothringischen Raum mit großer Nachkommenschaft in
Frankreich, England und Chile. Sie lassen sich sehr wahrscheinlich auf
Vorfahren zurückführen, die Mitte des 15. Jahrhunderts auf einem
Rodenhof oder auch Hartardshof genannten Gut bei Kopstal, nördlich von
Luxemburg-Stadt, ansässig sind. In den ersten gut hundert Jahren ihres
Bestehens tritt diese Familie ausschließlich unter dem Namen ‚Harder‘ auf; die für diese Zeit in Hessen noch übliche, ursprüngliche Namensform ‚Hartrad‘
fehlt ganz. Beziehungen zu den hessischen Hartard sind nicht
ersichtlich, und es ist gut möglich, dass sich der Name ‚Hartard‘ im Luxemburgischen erst sekundär gebildet hat, als er im 16. Jahrhundert zu einem gebräuchlichen Vornamen verschiedener luxemburgischer Adelsgeschlechter wurde.
In den luxemburgischen Orten Bereldingen, Helmdingen und Helmsingen
(alle nahe beieinander zwischen Luxemburg und Mersch an der Alzette
gelegen) sowie Roeser (südlich von Luxemburg) ist der Name ‚Hartard‘ bereits
im 16. Jahrhundert belegt (1541 oder 1561). In Walmestorff (Walmesdorf,
Valmestroff), nahe der heute zu Lothringen gehörenden Stadt
Diedenhofen (Thionville), findet sich Hartard seit spätestens 1611
als Familienname, in Pittingen (Pittange / Luxemburg) seit 1656. Ein „Guilhelmus Hartart, Luxemb., ex gymnasio
Montano“ studiert seit 1692 in Köln, wo er in der Matrikel
unter „pauperes“ (Arme) verzeichnet ist.
Zu dieser Familie zählt vielleicht der Benediktiner Johannes
Hartard (Jean Hartard / Johannes Hartardt / Hartardus / Harder) aus
Trier, der 1522-1548 als 27. Abt dem Münsterkloster zu Luxemburg
vorstand. Johannes Hartard, „ein trefflicher Abt“, war eine der herausragenden Gestalten der
luxemburgischen Gegenreformation; bis in die zweite Hälfte des 18.
Jahrhunderts hinein waren damit alle Versuche der Protestanten
unterbunden, ihrem Glauben Eingang im Herzogtum zu verschaffen. Fünf Jahre vor seinem Tod musste Abt Hartard
noch die Vernichtung der alten, in der Luxemburger Oberstadt gelegenen
Münsterabtei (Altmünster) erleben. Während manche
Quellen für die Zerstörung die Truppen des französischen
Königs Franz I. verantwortlich machen, die die Stadt Luxemburg am
11. September 1543 besetzt hatten, sprechen andere davon, Kaiser Karl
V. selbst habe das Kloster aus taktischen Gründen niederlegen
lassen. Jakob Marx schreibt in seiner Geschichte des Erzstifts Trier
(1860) über die Geschehnisse des Jahres 1543: „Inzwischen
waren schon bei dem Auftauchen des Gerüchtes von einem
bevorstehenden neuen Einfalle der Franzosen der Abt und die
Conventualen aus dem Kloster ausgezogen, Hartard hatte die Urkunden,
Briefschaften mit den Kostbarkeiten, Kirchengefäßen und
Ornamenten nach Trier in Sicherheit gebracht, und war so das Kloster
völlig verlassen, als in der Nacht, nach sorgfältiger
Verschließung aller Stadtthore, damit Niemand herauskommen
könne, die mit der Ausführung jenes Planes beauftragten
Männer sich in das Kloster begaben, in allen Gebäuden und
Gemächern Massen Stroh aufhäuften und sodann Feuer anlegten,
so daß Kloster und Kirche bis zum Boden abbrannten.(...) Nach
Ablauf der Kriegsunruhen hat der Kaiser dem Abte und Convente das unten
im „Grunde“ gelegene Hospital des h. Johannes zu einem
neuen Kloster (Neumünster) überwiesen, jedoch unter der
Bedingung, daß sie eine bestimmte Summe Geldes hergäben zur
Erbauung eines neuen Hospitals. Der Abt Hartard starb 1548; ihm folgten
in demselben Jahre alle Conventualen bis auf zwei in ein besseres
Leben.“ Die Abtei erholte sich lange nicht von
diesem Schlag; ihr vollständiger Niedergang wurde ab den
1660er-Jahren unter Abt Petrus Kölen abgewendet; eine zweite
Blüte erlebte der Konvent erst mit der Errichtung des neuen
Klosters im Alzette-Tal zu Beginn des 17. Jahrhunderts.
Auf die luxemburgischen Hartard gehen möglicherweise neben den
lothringischen Hartard und Harter auch einige Familien Hartert und
Harter zurück, die noch heute im Großherzogtum Luxemburg
(v.a. in und um Schifflingen) sowie westlich in der belgischen Provinz
Luxemburg (bei Arlon) und östlich in der Trierer Gegend
(Landkreise Bitburg-Prüm und Trier-Saarburg) beheimatet sind;
mehrere Mitglieder dieses Zweigs wanderten um die Wende vom 19. zum 20.
Jahrhundert mit Zielhafen New York nach Amerika aus. Ob die in Kövenig an der Mosel (bei Traben-Trarbach) erscheinenden
Namensträger zu dieser Familie zu rechnen sind, erscheint
fraglich, da sie ursprünglich wohl aus Blasweiler stammen,
südlich von Bad Neuenahr-Ahrweiler; vielleicht gehören sie zu
dem wiedischen Zweig der Hartart aus Eschbach (s. dort).
Seit dem 17. Jahrhundert ist ein Siedlungsschwerpunkt der
französischen Familie der lothringische Landstrich am Warndt und
an der Deutschen Nied (um Sankt Avold, zwischen Metz und
Saarbrücken). Pierre I. Hartard (*um 1625, †1677) war hier
der Gründer einer Linie Hartard in Waibelskirchen (Varize) bzw.
Harter in Tetingen (Teting-sur-Nied) und Ham unter Warsberg
(Ham-sous-Varsberg), Charles Hartard (Hartart, Harter, *vor 1648,
†1728), vielleicht einer der Söhne Pierres, der
Gründer einer Linie Hartard in Günglingen (Guinglange) /
Niederfillen (Basse-Vigneulles) bzw. Harter in Bibisch (Bibiche) /
Schemerich (Chémery) / Freisdorf (Freistroff). Nachfahren dieser
lothringischen Familien leben noch heute in den Départements
Moselle und Meurthe-et-Moselle (Hartard und Harter), seit dem 19.
Jahrhundert auch in Paris (Hartard).
Aus einer Pariser Linie der Familie stammt Leonard Hartard (wohl der
Sohn von Jean Victor Hartard und Julie Anastasie Mery), der in der
Mitte des Jahrhunderts nach London auswanderte und dort 1893 starb. Er
hinterließ die Kinder Elizabeth, William, Alfred Victor, Leon
Victor, Anastasie Teresa und Frederick Percival, deren Nachkommen bis
heute in London, Essex, Sussex, Surrey, Bedfordshire und Pembrokeshire
zuhause sind. Weitere Familien Hartard, die vielleicht auf die englische Linie
zurückgehen, finden sich in Australien (Sydney) und Südafrika
(Johannesburg).
Mit Émile (Emilio) Hartard-Marichal, dessen Eltern seit 1859 in
der Metzer rue des Roches das Hotel zum Goldenen Krebs (à
l’Ecrevisse d’or) betrieben, beginnt schließlich der
chilenische Ast der Familie. Émile ließ sich nach seiner
Ankunft in Chile 1897 zunächst im Norden des Landes nieder, in
Ovalle, wo er die konsularische Vertretung seines Heimatlandes
Frankreichs übernahm. Seiner Ehe mit der Französin Maria Gier
entstammten die Söhne Alberto, Emilio, Carlos, der sich in
Antofagasta der Salpeterindustrie widmete, Mauricio, Oberst der
Kavallerie und 1923 Gründungsdirektor der chilenischen
Reitervereinigung, und Enrique, dessen Sohn aus der Ehe mit Amelia
Gonzales, Maximiliano, in den 1940er-Jahren Direktor des chilenischen
Fußball-Erstligisten Club Colo Colo war. Die zahlreiche
Nachkommenschaft der Brüder lebt heute hauptsächlich in
Santiago und Antofagasta, zum Teil in Mexiko und Venezuela.
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Sonstige Namensträger
Von
dem Taufnamen ‚Hartard‘ oder ‚Hartrat(h)‘
abgeleitet sind
möglicherweise auch die Namen der noch bestehenden Familien
Hartrath
(im Raum Wiesbaden / Mainz / Trier: so etwa der Weingutbesitzer Medard
Hartrath, bis 1922 Vorsitzender der Trierer Zentrumspartei und
1912-1918 Abgeordneter des Deutschen Reichstags), Harterath, Hardrat,
Hardraht und Hardrath sowie Namen wie Hartroth (im Rheinland), Hartrodt
(Thüringen) oder (von) Hartrott; sie können aber ebenso zur
Gruppe der
Herkunftsnamen gehören, Familiennamen also, die ihre Wurzel in
Orts-
und Flurbezeichnungen haben: ‚hart‘ bedeutet
‚Wald‘‚ und -rott‘/
‚-rodt‘/ ‚-rode‘ sind in Hessen und
Thüringen häufige, auf eine
Rodungssiedlung hinweisende Endungen von Ortsnamen. Für die
nordhessischen Namensträger käme als Ursprung etwa Hartenrod
westlich
von Marburg in Frage, für die rheinischen Familien die –
heute
untergegangene – Ortschaft Hartrath. Nach dem Ort Hardert
(älter:
Hartenrode) im Westerwald wiederum benennt sich im Spätmittelalter
ein
niederadliges Geschlecht, das 1553 mit Johann von Hardert ausstirbt.
Hierher gehören wohl auch Johann von Hardert (von Hartart) und
seine
Frau Elisabeth, die um 1450 in einem Anniversar des Klosters
Marienstatt im Westerwald erscheinen. Auch bei dem 1294 urkundlich
genannten, in Coveren (=Kobern) begüterten Ritter Guillaume de
Hartert
muss angenommen werden, dass der Name Hartert sich auf eine Besitzung
bezieht, vielleicht das Dorf Hardert auf der rechten Rheinseite, das
wie Kobern in der Nähe von Koblenz liegt. Ähnliches ist
für den 1335
erwähnten Koblenzer Schöffengerichtsschreiber Johann Hardert
zu
vermuten, da er auch unter dem Namen de Hartrode vorkommt. Ein Godart
van der Hartart, Mitte des 14. Jahrhunderts Geistlicher zu Afferden (in
den heutigen Niederlanden), ist vielleicht mit dem
ehemaligen Schloss Hartelstein bei Itteren, nördlich von
Maastricht im
niederländischen Limburg, in Verbindung zu bringen, da dieses auch
unter der Bezeichnung Hartard oder Hartert vorkommt; gleiches gilt
für
Heinrich von der Hartart, der 1393 in die Dienste der Stadt Köln
tritt, möglicherweise auch für eine 1538 zu Tondorf
(bei Nettersheim in der Nordeifel) als Frau des Dietrich Hack von
Lissingen genannte Elisabeth von der Hartart.
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Der Kartäuserprior Michael Hartrad
Keiner der genannten Familien klar zuzuordnen ist ein im 15.
Jahrhundert mehrfach bezeugter Kartäusermönch Michael Hartrad
(Hartrut). Verschiedentlich wird Augsburg als sein Geburtsort angegeben, allerdings stets zusammen mit dem
Namen „Michael Hartritt“, was ausweislich der folgenden Quellen wohl ebenso
falsch gelesen ist wie der bisweilen vorkommende Name „Michael
Hartnit“.
Wir begegnen Michael zunächst – wohl noch als Laien – an der
Universität Paris, wo er der „Natio Anglicanae
(Alemaniae)“ angehört, der Landsmannschaft der englischen,
nordeuropäischen und deutschsprachigen Studenten. 1416 erwirbt er
hier unter dem Magister Wilhelm Lochem sein Lizentiat und bezahlt eine
Gebühr von 2 Schillingen (Sous): „Michael Hertruyt [...]
cujus bursa II sol[idi]“. Dass
Michael in Paris studierte, macht eine Herkunft aus dem
Schwäbischen eher unwahrscheinlich; denn im 15. Jahrhundert war
die Pariser Universität bei weitem nicht mehr so international
geprägt wie in den zwei Jahrhunderten zuvor, als Studenten aus
ganz Europa hier zusammentrafen. Besonders die Errichtung neuer
Hochschulen – Prag (1348), Wien (1365), Heidelberg (1385), Köln
(1388), Erfurt (1389/92), Leipzig (1409) –
sorgte dafür, dass sich
das Pariser Einzugsgebiet im Heiligen Römischen Reich zunehmend
auf die holländischen und rheinländischen Randgebiete
beschränkte. Auf den niederdeutschen Raum verweisen auch die Namen
von Michaels Lehrer und Kommilitonen. Unter den Mitstudenten kommen
Theodericus Ghelren, Theodericus de Gouda und Nicholaus de Gouda sicher
aus den Niederlanden; und Wilhelm Lochem (†1448), der
später Pfarrer zu Deventer und Kanonikus zu Emmerich war, stammte
wohl aus Lochem bei Zütphen und Deventer in Geldern. Michael
wäre vor diesem Hintergrund, bei aller gebotenen Vorsicht, am
ehesten an die Kölner Hartrad des 13. und beginnenden 14.
Jahrhunderts anzuschließen.
1417 ist Michael bereits Magister, scheint aber nicht in Paris gewesen
zu sein, sondern den Erzbischof von Bourges zum Konzil von Konstanz
begleitet zu haben; denn bei der Landsmannschaft unter Magister
Johannes von Zütphen (!) „[...] supplicavit magister Michael
Hartrut, quatenus possit inrotulari, si contingat fieri rotulum et
inscribi tamquam presens, viso ejus recessu ad Constanciam cum domino
suo domino archiepisopo Bituricensi, cujus supplicacioni natio annuit
si et in quantum natio hoc facere posset“ (Magister Michael
Hartrut erbittet, angesichts seiner Rückkehr nach Konstanz mit
seinem Herrn, dem Erzbischof von Bourges, sich in die Matrikel
gleichsam als anwesend einschreiben zu dürfen; diesem Ersuchen
stimmt die Landsmannschaft [Natio] zu, insofern dies in ihrer Macht
steht. Das Konstanzer Konzil hatte
im November 1414 seine Beratungen aufgenommen, und in der Tat ist im
Jahr 1417 der Erzbischof von Bourges, Guillaume de Boisratier
(1409–1421), unter den Konzilsteilnehmern. Auch Michaels
Lehrer, Wilhelm Lochem, war – allerdings im Jahr zuvor – als
Verhandlungsführer einer Delegation der Brüder vom
gemeinsamen Leben in Konstanz gewesen.
Bald darauf scheint Michael dem Kartäuserorden beigetreten zu
sein, denn 1422 finden wir ihn als Novizen in der Großen
Kartause, dem Mutterhaus des Ordens bei Grenoble. Der Theologe und
Mystiker Johannes Gerson berichtet im November dieses Jahres in einem
in Lyon geschriebenen Brief von mehreren Konventsmitgliedern der
Kartause, mit denen er in Kontakt stand, und gedenkt dabei unter
anderen des Oswald de Corda (des späteren Vikars der Großen
Kartause) sowie des „venerabili novicio Michaeli Hartrut“. Während Gerson und Oswald de Corda, die
von April 1424 bis April oder Mai 1429 einen lebhaften Briefwechsel
unterhielten, sich vermutlich nie begegneten, beruht die
Korrespondenz zwischen Gerson und Michael wohl auf einer
persönlichen Bekanntschaft. Zum einen hatte Gerson 1395 das
Kanzleramt an der Universität Paris übernommen und lebte –
nach einem Aufenthalt in Flandern – seit 1404 wieder in der
französischen Hauptstadt; andererseits war Gerson, der als
Kirchenpolitiker entschieden den konziliaren Gedanken vertrat,
ebenfalls Teilnehmer des Konzils zu Konstanz, wo er die Verurteilung
und Hinrichtung des Jan Hus betrieb und sich den Beinamen eines Doctor
christianissimus erwarb. An beiden Orten könnten Gerson und
Michael zusammengetroffen sein. Der Kontakt zu Gerson († 1429)
bestand noch im Jahr 1426, als Michael den Theologen um
Lektüreempfehlungen bittet. Gerson antwortet am 9. Juni 1426 mit
einem Brief und dem beigefügten Traktat De libris legendis a
monacho (Über Bücher, die ein Mönch lesen sollte).
Der weitere Lebensweg führte Michael zu hohen Ämtern
innerhalb des Kartäuserordens. Von der Grande Chartreuse aus kam er 1427 als Prior
in die Reichskartause Buxheim bei Memmingen. Seine wohl hier verfasste
Oration De passione domini hat sich in einer Sammelhandschrift
erhalten, die in der Bayerischen Staatsbibliothek München
aufbewahrt ist (Manuskript Clm 4634). Neun Jahre
später, 1436, kehrte Michael nach Frankreich zurück und wurde
Prior des Klosters Sainte-Marie de Portes in Bénonces, der
ältesten Filiale der Großen Kartause. 1439-1455 war er
Convisitator und Visitator der Ordensprovinz Aquitanien. Seine letzten
Lebensjahre verbrachte Michael in der Kartause zu Vauclaire, wo er von
1454 bis 1456 als Prior bezeugt ist.
Für den 14. März 1461 verzeichnen die Akten des
Kartäuser-Generalkapitels den Tod des „Dom[i]nus Michael
Hartrut, monachus professus domus Carthusie, quj fuit alias Prior domus
Aule Marie et Portus Beate Marie et Visitator Prouincie Aquitanie, qui
habet per totum Ordinem plenum cum psalteriis monachatum. Cuius obitus
dies scribatur in kalendariis conuentualibus sub xiiija Marcij“.
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An
der Metzer Felsenstraße (rue des Roches) betrieben die Eltern des
Émile Hartard-Marichal seit 1859 das Hotel zum
Goldenen Krebs (à l’Ecrevisse d’or). Emile wanderte
zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Chile aus und wurde zum
Begründer des dortigen Familienzweigs. |